31.05.2001 Tornado wütet im Erzgebirge

Laut Zeitungsmeldungen hat es am Donnerstag dem 31.05.2001 im Mittleren Erzgebirgskreis einen Tornado unbekannter Stärke gegeben. Betroffen war die Region im Bereich um Zschopau und Börnichen. In Pressemitteilungen hieß es zunächst, der Deutsche Wetterdiest habe kein solches Phänomen beobachtet. Auf Anfrage wurde mir jedoch mitgeteilt, dass das Unwetter per Radar erfasst wurde:

Solche Erscheinungen sind durchaus möglich und kommen jedes Jahr wieder vor. Wir haben es auch beobachtet, allerdings auf dem RADAR-Gerät (60 dBZ Dämpfung kommen nicht jeden Tag aber jedes Jahr vor). Selbst eine Warnung vor Gewitter mit Hagel und Sturm wurde von uns vorher ausgegeben.
Gegenüber dpa hat die Meteorologin erklärt, dass VOR ORT nicht der DWD sondern die besagten Waldarbeiter das Geschehen gesehen haben [...] Daraus entstand dann die irreführende Presseformulierung, der DWD hätte nichts gesehen.
(nach persönlicher Mitteilung von Thomas Endrulat, Mitarbeiter beim DWD)
Nach Abschätzung der Art der Zerstörungen müsste es sich um einen Sturm der Stärke F2 nach der Fujita-Skala gehandelt haben.
Kein seltenes Phänomen

So selten, wie man meinen mag, sind Tornados in Mitteleuropa offensichtlich nicht. Zwar treten sie nicht mit so hoher Wahrscheinlichkeit auf, wie im Bereich der Tornado-Alley in den USA, wo die klimatischen und orographischen Bedingungen dafür besser sind, dennoch zeigt die Statistik, dass es auch in Deutschland immer wieder zu Tornados kommen kann. Auch die Vermutung, dass Tornados in Deutschland Anzeichen der globalen Erwärmung seien, sind bislang durch Meteorologen nicht bestätigt worden. Die scheinbar häufigeren Tornadosichtungen lassen sich darauf zurückführen, dass Deutschland heute wesentlich dichter besiedelt ist als noch vor einigen Jahrzehnten. Außerdem werden Meldungen über Tornados heute viel schneller über die Medien verbreitet. Hinzu kommt, dass seit Filmen wie "Twister" das Interesse Öffentlichkeit an diesem Phänomen deutlich zugenommen hat. Hier einige Links zum Thema:

  •  Tornadoliste Deutschland
  • aktuell: Tornado in Quirla (Thüringen)

  • Ergebnisse der Geländebegehung:

    Die erste Geländebegehung ergab, dass es im Wald zwischen Eppendorf und Reifland eine ca.50 m breite Schneise mit radikalem Windbruch (100%) gibt. Bäume von 50-60 cm Durchmesser sind entweder entwurzelt oder kurz über dem Boden abgebrochen. Bei einigen Bäumen wurden nur die Kronen abgerissen. Das Gebiet ist räumlich eng begrenzt. Bäume die in direkter Nachbarschaft zu der in West - Ost verlaufenden Schneise liegen, blieben weitgehend unversehrt. Schon wenige Meter außerhalb der Schneise gibt es keine Anzeichen von Windbruch mehr.
    Eine intensivere Geländebegehung zeigte das ganze Ausmaß der Schäden. Ausgangspunkt des Torandos war laut Augenzeugenberichten der Ort Börnichen. Hier begann das Unwetter um 14.50 Uhr MESZ. Zwischen Börnichen und der nächsten Ortschaft (Wünschendorf) sind kaum sichtbare Schäden auszumachen. Im Tal der Flöha jedoch riß der Stum eine ca.150-170m breite Schneise in den Wald und deckte auf seinem Weg das Dach eines Asylbewerberheimes zu einem Viertel ab. Dei Zugbahn des Sturmes verläuft weiter begrauf etwa parallel zum Rothenbach und variiert in ihrer Breite. Zwischenzeitlich teilt sich die Zugbahn in einen ca.60 m breiten und in einen ca. 20 m breiten Korridor. Beim erreichen der Hochfläche vereinigen sich die beiden Zugbahnen wieder. Dort beträgt die Breite des Korridors etwa 120 m. An dieser Stelle steht kein einziger Baum mehr. Ein Großteil der Bäume ist entwurzelt, die meisten jedoch sind auf einem Drittel ihrer Höhe abgerissen (selbst Bäume bis 70 cm Durchmesser bzw. 210 cm Umfang). Dar Wald besteht aus einem monotonen Fichtenforst mit Beimengungen von Buche, Eiche und Birke. Am Waldrand verliert sich die Spur des Sturmes erneut. Augenzeugen berichten jedoch, der Stum sei bis Lippersdorf und Niedersaida weitergezogen. Es waren dort jedoch keine unmittelbaren Schäden durch radikalen Windbruch auszumachen. Gegen 15.00 Uhr MESZ wäre das Ereignis vorbei gewesen, so berichten Augenzeugen.

    >> Karte <<

    Versuch der Erklärung:

    Normalerweise sind außertropische Wirbelstürme (Windhosen, Tornados, Tromben) in ihrer Entstehung an sommerliche Erwärmung mit starken Konvektionsvorgängen gebunden. Typisch ist das für den Bereich der Tornado-Alley in den USA. Dort treffen warme feuchte Luftmassen vom Golf von Mexiko auf kühle bis kalte Luftmassen aus den Rocky Mountains. Die schwerere Kaltluft hebt die träge Warmluft mit großer Geschwindigkeit vom Boden ab. Durch die Kondensation des Wasserdampfes wird zusätzlich Energie frei (Kondensationswärme). Die extrem labile Schichtung der Troposphäre erlaubt Konvektion bis an die oberste Grenze der Troposphäre. Aus einer Gewitterwolke entsteht eine sogenannte Superzelle.
    Als wichtigste Voraussetzung fehlte dem Sturm im Erzgebirge die starke Erwärmung. Als Ursache für die dennoch vorhandene starke Konvektion kann hier das hereinbrechen einer Kaltfront gesehen werden. Beobachtungen zufolge brachte die in Frage kommende Gewitterzelle einem breiten Streifen von Chemnitz bis Niedersaida heftige Hagelschauer (bis 1,5 cm Korndurchmesser), die die Landschaft flächenhaft bedeckt haben. Die Ursache für diese ungewöhnlich starken Hagelschauer kann nur in starker Konvektion gesucht werden. Das Hereinbrechen der Kaltluft war also der Auslöser für die Bildung der Gewitterzelle. Warum kam es aber dann in genau diesem Gebiet zur Bildung des Wirbelsturms? Begünstigt wurde dieses Ereignis mit Sicherheit durch die vorherrschenden Windrichtungen zur fraglichen Zeit. Zum Zeitpunkt des Sturmes trafen über Sachsen Winde aus unterschiedlichen Richtungen zusammen. Von Südosten her wärme Luftmassen, aus entgegengesetzer Richtung (nord bis nordwest) vermutlich sehr kalte und vermutlich auch sehr trockene Luftmassen. Das Vorhandensein dieser kalten Höhenwinde hat die Troposphäre womöglich soweit labilisiert, dass sich ein Tornado ausbilden konnte.
    >> Wetterkarte<<

    Bilder aus dem betroffenen Gebiet:
     
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